Die Musikstadt München hat etliche wichtige jüdische Musiker hervorgebracht. Die Erfolgsgeschichten derjenigen, die in den 1920er und 30er Jahren in München lebten und arbeiteten, wurden jedoch mit Aufstieg des Nazi-Regimes jäh unterbrochen. Einen von ihnen, den Komponisten Paul Ben-Haim, stellen wir heute vor.
Ausbildung und erste Tätigkeiten in Bayern
Paul Ben-Haim wurde am 5. Juli 1897 als Paul Frankenburger in München geboren. Sein Vater war der erfolgreiche Jurist Heinrich Frankenburger, der seinem Sohn schon früh Musikunterricht ermöglichte. Nach dem Abitur am Wilhelmsgymnasium München studierte Paul Frankenburger zwischen 1915 und 1920 an der Münchner Akademie für Tonkunst Komposition bei Friedrich Klose und Walter Courvoisier, sowie Klavier bei Berthold Kellermann.
Nach seinem Studium wurde er Assistent des Dirigenten Bruno Walter an der Bayerischen Staatsoper, 1922 von dessen Nachfolger Hans Knappertsbusch. Zwei Jahre später bekam Paul Frankenburger die Stelle des Kapellmeisters am Theater Augsburg angeboten, die er annahm. In dieser Zeit verfeinerte er seine Fähigkeiten als Komponist und Dirigent und schuf Werke, die dem im Europa des frühen 20. Jahrhunderts vorherrschenden spätromantischen Stil entsprachen.
Emigration nach Palästina
Der Aufstieg des Nazi-Regimes in Deutschland zwang viele jüdische Künstler, darunter auch Paul Frankenburger, zur Flucht. Im Jahr 1933 emigrierte er in das damals unter britischem Mandat stehende Palästina - der Beginn eines neuen Kapitels in seinem Leben und seiner Karriere. Nach seiner Ankunft in Palästina nahm er den hebräischen Namen Paul Ben-Haim an, um seine neue Identität und sein Engagement für seine Wahlheimat zum Ausdruck zu bringen.
Ein neuer musikalischer Stil
Mit der Ankunft in Palästina veränderte sich Paul Ben-Haims Kompositionsstil: Beeinflusst von der vielfältigen Kulturlandschaft Palästinas, begann er, östliche Musikelemente in seine Kompositionen zu integrieren. Seine Begegnungen mit lokalen Musikern und Volkstraditionen inspirierten ihn dazu, westliche klassische Techniken mit den melodischen und rhythmischen Merkmalen der Musik des Nahen Ostens zu verbinden. Gemeinsam mit anderen Einwanderern gründete er eine 'mediterrane Kompositionsschule, die auf Romantik, Neoklassizismus und den modalen Melodien, Melismen und unregelmäßigen Metren der jüdischen und nahöstlichen Volksmusik basierte. Sein neuer nationalistischer Stil war angenehm trocken und wies Ähnlichkeiten mit der europäischen Pastoralmusik auf.
Paul Ben-Haims wichtigste Werke
Paul Ben-Haims Oeuvre ist umfangreich und vielfältig und umfasst Orchester-, Kammer-, Vokal- und Chormusik. Zu seinen bemerkenswertesten Werken gehören:
- Symphonie Nr. 1 (1940): Dieses Werk ist eines der ersten großen Werke, die Ben-Haim in Palästina komponierte. Es spiegelt sein Bemühen wider, seine europäische Ausbildung mit seiner neuen kulturellen Umgebung zu verschmelzen, indem es Melodien und Rhythmen des Nahen Ostens einbezieht.
- Der süße Psalmist von Israel (1953): Dieses Chor- und Orchesterwerk, das auf biblischen Texten basiert, ist ein ergreifendes Beispiel für Ben-Haims Fähigkeit, geistige Tiefe und kulturelles Erbe in seine Musik einfließen zu lassen.
- Beschwörung (Yizkor) (1944-45): Ursprünglich für Gesang und Klavier komponiert und später für Orchester arrangiert, ist dieses Stück ein zu Herzen gehendes Mahnmal, das Ben-Haims persönliche und kollektive Trauer während des Zweiten Weltkriegs widerspiegelt.
- Konzert für Streicher (1947): Dieses Werk ist berühmt für seinen Reichtum an Texturen und sein lebhaftes Zusammenspiel zwischen westlichen harmonischen Strukturen und östlichen melodischen Mustern.
Vermächtnis und Einfluss
Mit der Staatsgründung Israels bekam die moderne Kunst und Kultur des Landes, in dem Einwanderer aus vielen Ländern eine Heimat gefunden hatten, einen - auch politischen - neuen Stellenwert. So kann der Einfluss von Paul Ben-Haim auf die israelische Musik nicht hoch genug eingeschätzt werden:
Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Etablierung eines eigenständigen israelischen klassischen Musikstils und war Mentor jüngerer Komponisten wie Tzvi Avni, Ami Maayani und Ben-Zion Orgad. Seine Bemühungen um die Schaffung einer neuen Musiksprache, die die einzigartige kulturelle Vielfalt Israels widerspiegelt, brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter den renommierten Israel Prize in Music im Jahr 1957.
Über seine Kompositionen hinaus lebt Ben-Haims Vermächtnis durch Aufführungen und Aufnahmen seiner Werke sowie durch wissenschaftliche Studien weiter, die seinen Einfluss auf Musik und Kultur erforschen. Seine Fähigkeit, kulturelle Unterschiede durch Musik zu überbrücken, bleibt eine Inspiration für Komponisten und Musiker weltweit.
Eine exemplarische Geschichte mit bleibender Wirkung
Paul Ben-Haims Reise von München nach Tel Aviv spiegelt die allgemeine Geschichte des europäischen Judentums im 20. Jahrhundert wider, die von Vertreibung, Anpassung und der Schaffung neuer Identitäten geprägt ist. Seine Musik ist ein Zeugnis für die Unverwüstlichkeit und Kreativität, die sein Leben und seine Arbeit bestimmt haben. Indem er einen neuen musikalischen Weg einschlug, der sowohl sein europäisches Erbe als auch seine Wahlheimat im Nahen Osten würdigte, bereicherte Ben-Haim nicht nur die israelische Kultur, sondern trug auch zum weltweiten Kanon der klassischen Musik bei.