Felix Mendelssohn Bartholdy ist einer der meistgespielten Komponisten der Musikgeschichte, aber auch der Enkelsohn eines der größten deutschen Philosophen: dem gläubigen Juden Moses Mendelssohn. Ohne seine Schriften ist die deutsche Aufklärung kaum vorstellbar. Dennoch wird Felix Mendelssohn Bartholdy heute allgemein als christlicher Komponist gesehen, was auch nicht falsch ist, denn er war getauft und wurde christlich erzogen. Zahlreiche seiner Werke lassen einen engen Bezug zum Protestantismus erkennen: so sein Oratorium „Paulus“ oder seine zweite Symphonie „Lobgesang“. Auch ich weigerte mich stets seine Werke unter dem Label des „jüdischen Komponisten“ aufzuführen und einzuordnen.
Doch dann stieß ich auf ein Zitat, das mich überraschte:
„… dass es ein Judenjunge sein musste, der den Leuten die größte christliche Musik wiederbringt.“ Mit der größten christlichen Musik ist Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ gemeint, die er als erster nach Bachs Tod wieder zur Aufführung brachte.
Nun begann ich zu recherchieren: der Vater versuchte mit aller Macht die Familie der christlichen Mehrheitsgesellschaft durch die Konvertierung zum Protestantisums anzugleichen. Man findet zahlreiche Briefe der Familie, die die fast verzweifelten Bemühungen das Judentum hinter sich zu lassen dokumentieren. Dennoch wurde die Familie nicht als Christen akzeptiert. So schrieb der Lehrer und Mentor Felix Mendelssohn Bartholdys Carl Friedrich Zelter in einem Brief an Goethe: „Er ist zwar ein Judensohn, aber kein Jude. Der Vater hat mit bedeutender Aufopferung seine Söhne nicht beschneiden lassen und erzieht sie, wie sich’s gehört; es wäre wirklich einmal eppes Rores, wenn aus einem Judensohne ein Künstler würde.“
Nun lassen sich zwei gegensätzliche Schlüsse ziehen:
Man sollte akzeptieren, dass die Familie Mendelssohn zum Protestantismus konvertierte und Felix Mendelssohn als christlichen Komponisten anerkennen.
Andererseits wäre das zu einfach und würde auch den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts in Deutschland nicht berücksichtigen, der von tiefem Antisemitismus geprägt war. Vielleicht stand Felix Mendelssohn Bartholdy dem Judentum sehr viel näher, als wir heute meinen. Als seine Schwester Rebecka sich abfällig über einen jüdischen Musiker äußerte und gleichzeitig einschränkte sie sei keine „Judenfeindin“, schrieb ihr Felix in einem Brief:
„Was meinst Du damit, daß Du schreibst, Du seyest keine Judenfeindin? Ich nehme an, das sey nur ein Scherz: denn sonst würde ich ganz andere Saiten aufziehen. Es ist wirklich sehr liebenswürdig von Dir, daß Du nicht Deine gesamte Familie verachtest, nicht wahr?