Franz Kafka war einer der größten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. 1883 in Prag (damals Österreich-Ungarn) geboren, fand er zu Lebzeiten nur wenig Anerkennung für sein literarisches Schaffen. In seinen Werken setzt sich Kafka mit Themen wie Entfremdung, Existenzangst und der Absurdität des modernen Lebens auseinander.
Zu seinen bekanntesten Werken gehören Die Verwandlung, Der Prozess und Das Schloss, die als Meisterwerke der existenzialistischen und absurden Literatur gelten. Kafkas Schreibstil zeichnet sich durch eine surreale und alptraumhafte Qualität aus, in der die Protagonisten oft in verwirrenden und unterdrückenden Systemen gefangen sind, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Kafka starb vor 100 Jahren, nur 40 Jahre alt, an den Folgen seiner Tuberkulose-Erkrankung.
Die erlebte Heimatlosigkeit KafkasObwohl er einen Großteil seines Lebens in Prag verbrachte, lebte Franz Kafka immer im Bewusstsein, zu einer bzw. mehreren Minderheiten und ‚nicht dazu‘ zu gehören: Prag, war zum Zeitpunkt seiner Geburt bis 1918 Teil der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn. Deutsche Muttersprachler wie er machten aber nur ca. 7% der Bevölkerung Prags aus. Natürlich sprach Kafka auch Tschechisch, dennoch erlebte er seine Existenz als eine ‚inselhafte Abgeschlossenheit‘. Auch zur 1918 gegründeten Tschechoslowakei hatte keinen Bezug – ebenso wenig wie sich in seinen Schriften Zeichen für ein Zugehörigkeitsgefühl zur österreichischen Nationalität oder eine Nähe zum politischen Deutschen Reich finden lassen.
Aber nicht nur seine Muttersprache grenzte Kafka aus, sondern auch seine Religion. Die Familie Kafka war assimiliert uns betont kaisertreu, dennoch erlebte Franz immer wieder Antisemitismus und Judenhass. Besonders nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie mit Ende des Ersten Weltkriegs verstärkte sich das: aufgrund der antideutschen und antisemitischen Ressentiments in der Prager Mehrheitsbevölkerung machte Franz Kafka Pläne für seine Emigration.
„Die ganzen Nachmittage bin ich jetzt auf den Gassen und bade im Judenhass. Prašivé plemeno (=räudige Brut) habe ich jetzt einmal die Juden nennen hören. Ist es nicht das Selbstverständliche, dass man von dort weggeht, wo man so gehasst wird (Zionismus oder Volksgefühl ist dafür gar nicht nötig)?“
Franz Kafka und das JudentumKafkas Verhältnis zum Judentum war zeitlebens gespalten. In einem Tagebucheintrag schreibt er 1914: „Was habe ich mit Juden gemeinsam? Ich habe kaum etwas mit mir gemeinsam und sollte mich ganz still, zufrieden damit dass ich atmen kann in einen Winkel stellen“.
Seine Familie lebte das säkulare Leben assimilierter Westjuden: Religion und religiöse Traditionen hatten wenig Raum im Elternhaus. Im Brief an den Vater beklagt sich Kafka in einer längeren Passage über das „Nichts an Judentum“, das er in seiner Jugend erlebt hatte.
Als Erwachsener beschäftigte sich Kafka viel mit dem Judentum, allerdings eher wissenschaftlich in umfangreicher Lektüre. Besonders interessierten ihn religiöse Sagen, Geschichten und Handlungsanleitungen, die ursprünglich mündlich überliefert wurden.
Gleichzeitig hatte er viele jüdische Freunde, u.a. Max Brodt, der sein Verleger wurde. Persönlicher Kontakt bestand auch zu dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Kafka bewunderte das Schaffen jüdischer Künstler und besuchte häufig Vorführungen des jiddischen Theaters aus Lemberg. Gerade die ostjüdische und chassidische Kultur hatte es ihm angetan – laut Egon Erwin Kisch fand er in den Volkserzählungen der Chassidim, „vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, eine gewisse Harmonie“.
In Kafkas fiktionalem Werk findet das Judentum keinerlei Erwähnung, wobei das angesichts der oft abstrakt-fantastischen Inhalte und existentiellen Themen, die über die Fragen einzelner Religionen hinaus gehen, wenig verwunderlich ist.
Einige seiner Freunde, u.a. Max Brodt, begeisterten sich stark für zionistische Ideologien, nicht so Franz. Dennoch beschloss er nach dem Ersten Weltkrieg, nach Palästina auszuwandern und lernte intensiv Hebräisch. Allerdings verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide und die für 1923 ernsthaft geplante Übersiedlung fand nie statt.
Heute ist Franz Kafka als einer der großen Schriftsteller der literarischen Moderne bekannt – seine Werke sind einerseits sehr atmosphärisch, plastisch und eindrücklich, andererseits kaum zu durchdringen. Unterschiedliche Interpretationsansätze deuten Kafkas Werk psychologisch, philosophisch, biographisch und soziologisch und immer wieder auch im Hinblick auf den Einfluss der jüdischen Religion und Kultur auf das Werk. Unabhängig von den Deutungsansätzen hat Kafkas Werk großen Einfluss auf die Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts und ist bis heute in seinen Fragen und Themen aktuell.