Die österreichische Komponistin, Malerin und Schriftstellerin Josefine Winter (1873–1943) ist heute weitgehend vergessen. Trotz ihrer großen musikalischen Begabung wurde ihr Talent erst spät gefördert - als Frau ihrer Zeit hatte sie wenig Möglichkeiten, die Musik zu ihrem Beruf zu machen. Außerdem teilt sie das Schicksal vieler jüdischer Künstler ihrer Generation: die vor der Machtergreifung der Nazis erzielten Erfolge wurden im Holocaust so nachhaltig ausgelöscht, dass die Wiederentdeckung bis heute mühsam ist.
Kindheit und Ausbildung
Rosa Josefina Sara Auspitz wurde am 21. Dezember 1873 in Wien als Tochter des Industriellen Rudolf Auspitz und Helene Lieben geboren. Sie wuchs in einem intellektuellen und kunstaffinen Umfeld auf und erhielt als Kind Musikunterricht. Jedoch durfte sie kein offizielles Studium an einer Kunst- oder Musikhochschule absolvieren. Stattdessen erhielt sie Privatunterricht bei Künstlern wie Emanuel Stöckler und Ludwig Michalek. Erst durch ihren zweiten Ehemann, den Arzt und Lyriker Josef Winter, den sie 1900 kennenlernte, konnte sie ihr musikalisches Talent entfalten. Beide waren in der Wiener Kulturszene sehr aktiv und pflegten unter anderem Kontakt mit Gustav Mahler und reisten sogar zur Uraufführung seiner 8. Symphonie nach München.

Malerei und Musik
Obwohl sie sowohl als Malerin, als auch als Komponistin tätig war, blieb ihr musikalisches Werk weitgehend unbeachtet. Winter vertonte hauptsächlich Gedichte von zeitgenössischen Schriftstellerinnen; ihre Musik war geprägt von spätromantischen und impressionistischen Einflüssen. Auch in der bildenden Kunst hinterließ sie Spuren. Sie malte bevorzugt Porträts und Landschaften, wobei sie einen besonderen Sinn für Farbgestaltung und Lichtstimmungen entwickelte. Ihre Bilder wurden unter anderem im Wiener Künstlerhaus ausgestellt.
Soziales Engagement
Neben ihrem künstlerischen Schaffen engagierte sich Josefine Winter auch sozial. So leitete sie während des ersten Weltkriegs ein Kinderheim und gründete mit ihrem Ehemann eine Lungenheilstätte. Für dieses Engagement wurde ihr Mann mit dem Prädikat „Edler von Wigmar“ ausgezeichnet, sie hieß daraufhin Josefine Rosa Winter Edle von Wigmar.
Verfolgung und Tod
Die politischen Entwicklungen in Europa hatten tragische Auswirkungen auf ihr Leben. Als Jüdin musste sie nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland zunächst ihre Villa räumen und in eine Sammelunterkunft ziehen. 1942 wurde sie – mit fast 70 Jahren - in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. Januar 1943 starb.
Josefine Winters Erbe
Obwohl Josefine Winters Werke heute kaum bekannt sind, repräsentiert ihr Leben das Schicksal vieler jüdischer Künstlerinnen, die nicht nur unter der gesellschaftlichen Marginalisierung von Frauen in der Kunst litten, sondern auch Opfer des Holocaust wurden. Ihr Name steht stellvertretend für eine Generation von Künstlerinnen, deren Werke es wiederzuentdecken gilt.

Am 25.4.25 erscheint die CD JÜDISCHES WIEN des JCOM mit der Sopranistin Chen Reiss. Darauf findet sich Josefine Winters Lied 'Ein Buchenwald', verfügbar auf allen gängigen Streaming-Plattformen:
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