Die Geschichte der sephardischen Juden ist geprägt ihrer Vertreibung von der iberischen Halbinsel. Im Jahr 1492 veränderte sich für die jüdische Bevölkerung Spaniens alles: Mit dem Alhambra-Edikt begann eine der größten erzwungenen Migrationen in der europäischen Geschichte. Doch was führte zu diesem Umbruch und welche Spuren hat er hinterlassen?
Wer waren die sephardischen Juden?
Als sephardische Juden bezeichnet man diejenigen, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts auf der iberischen Halbinsel lebten. Seit der Antike hatten sich jüdische Gemeinden dort etabliert und trugen maßgeblich zum kulturellen und wirtschaftlichen Leben bei – als Ärzte, Philosophen, Händler, Übersetzer und Dichter. Während der sogenannten 'Convivencia' – einer Zeit relativer Koexistenz zwischen Christen, Juden und Muslimen in al-Andalus – erlebte das sephardische Judentum eine kulturelle Blütezeit.
Politische und religiöse Spannungen
Mit der fortschreitenden 'Reconquista' – der christlichen Rückeroberung muslimischer Gebiete – verschlechterte sich die Lage der sephardischen Juden allmählich. Der zunehmende Einfluss der Kirche, insbesondere durch Prediger wie Vicente Ferrer im 14. Jahrhundert, führte zu wachsender Judenfeindlichkeit. Bereits 1391 kam es in vielen Städten zu schweren Pogromen, bei denen Tausende Juden ermordet oder zwangsweise getauft wurden. Die Spannungen zwischen Christen, Juden und den sogenannten 'Conversos' (zwangsgetauften Juden) nahmen zu. Die Kirche betrachtete viele 'Conversos' mit Misstrauen und unterstellte ihnen die heimliche Ausübung des Judentums. Dies war ein zentraler Vorwand für die Einrichtung der Spanischen Inquisition im Jahr 1478, die in erster Linie gegen diese Neuchristen vorging – nicht gegen offen praktizierende Juden.

Die politischen Hintergründe des Alhambra-Edikts
Nach dem Sieg über das Emirat Granada 1492 war die iberische Halbinsel erstmals seit Jahrhunderten vollständig unter christlicher Kontrolle. Für die katholischen Könige Isabella und Ferdinand bedeutete dies nicht nur einen politischen, sondern auch einen religiösen Sieg. Sie sahen sich als Verteidiger des katholischen Glaubens und wollten ein rein christliches Königreich schaffen. Unter dem Einfluss des Dominikanermönchs Tomás de Torquemada wurde das Alhambra-Edikt erlassen. Es erklärte, dass die Anwesenheit der Juden eine Gefahr für die Reinheit des Glaubens darstelle. Allen Juden wurde daher befohlen, sich taufen zu lassen, oder das Land innerhalb von vier Monaten zu verlassen. Schätzungen zufolge waren zwischen 100.000 und 200.000 Juden von der Vertreibung betroffen.

Flucht und Diaspora
Viele Sepharden flohen nach Nordafrika, in das Osmanische Reich, nach Italien, die Niederlande oder auch in das heutige Balkan-Gebiet. Auch die großen Handelsstädte des Mittelmeeres, in die jüdische Händler Beziehungen hatten, wurden zu Zufluchtsorten.
Auch Portugal, das zunächst als sicher galt, folgte Spanien bald in der Zwangskonvertierung der jüdischen Bevölkerung. 1497 zwang König Manuel I. fast die gesamte jüdische Bevölkerung zur Taufe. Eine offene Ausreise war kaum möglich und so endete auch dort die jahrhundertelange jüdische Präsenz abrupt.

Das Erbe der Sepharden
Trotz Vertreibung und Verfolgung haben sephardische Juden ihre Identität bewahrt. Sie entwickelten eine eigene Sprache – das Ladino – und trugen ihre Traditionen in alle Welt: nach Istanbul, Saloniki, Amsterdam, Marrakesch, Jerusalem und später auch nach Nord- und Südamerika. Heute erinnern viele Nachnamen, kulinarische Spezialitäten und religiöse Praktiken an diese reiche Kultur.
Erst seit den 2010er Jahren gibt es in Spanien und Portugal Wiedergutmachungsprogramme: Nachfahren sephardischer Juden können unter bestimmten Bedingungen die Staatsbürgerschaft erhalten.
Im Herbst 2025 beschäftigt sich das JCOM im Projekt DIE SCHLÜSSEL VON TOLEDO mit der Musik und Kultur der sephardischen Juden. Dieses Projekt wird in der Bildungsagenda NS - Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Aktuelle Konzerttermine unter www.jcom.de/konzerte.