Jewish Vienna - neue CD des JCOM mit Chen Reiss

Jewish Vienna - neue CD des JCOM mit Chen Reiss

Am 25. April 2025 erscheint die neue CD des JCOM mit Sopranistin Chen Reiss. Sie trägt den Titel JEWISH VIENNA und widmet sich Werken bekannter und unbekannter jüdischer Komponisten im Wien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, deren Lebenswege sich in der lebhaften Kulturszene der Stadt vielfach kreuzten.

Dirigent Daniel Grossmann zum Programm:

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts konnte sich in Wien eine bemerkenswerte Blütezeit jüdischer Kunst und Kultur entfalten, wie es in kaum einer anderen Stadt Europas der Fall war. Jüdische Künstler, Musiker und Intellektuelle fanden hier einen fruchtbaren Boden für ihre Kreativität. Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte diese Szene eine kurze Blütezeit.

Gustav Mahler und Alexander Zemlinsky

Im Zentrum des musikalischen Lebens dieser Ära stand Gustav Mahler. Um ihn, als eine Art künstlerische Sonne, scharten sich die anderen Komponisten Wiens, und viele kreative Verbindungen zwischen ihnen prägten diese Zeit. Genau diese Verknüpfungen möchten wir auf dieser CD hörbar machen.

Alexander Zemlinskys Mutter, geboren in Sarajevo, war die Tochter einer Muslima und des sephardischen Juden Shem Tov Semo. Ihr Ehemann, Zemlinskys Vater, stammte aus einer katholischen Familie, konvertierte jedoch zum Judentum und wurde Sekretär der sephardischen Gemeinde in Wien. In diesem stark religiös geprägten Umfeld wuchs der junge Zemlinsky auf.

Am 22. Januar 1900 leitete Gustav Mahler in der Wiener Hofoper die Uraufführung von Zemlinskys Oper Es war einmal..., die dieser im Alter von nur 26 Jahren zwischen 1897 und 1899 komponiert hatte.

Im Herbst 1900 begann Zemlinsky eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit Alma Schindler, die jedoch 1901 endete, als sie Gustav Mahler kennenlernte und heiratete. Diese Wendung war nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein künstlerischer Einschnitt, da sie die langjährige kreative Verbindung zwischen ihm und Mahler belastete.

Die heiteren Walzergesänge aus dem Jahr 1898, die den Auftakt dieser CD bilden, zeigen bereits die musikalische Vielseitigkeit und das Können Zemlinskys.

Alexander Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold

1890 gewann Zemlinsky bei einem Klavierwettbewerb die Goldmedaille sowie einen Bösendorfer-Konzertflügel, den er später dem berühmten Musikkritiker Julius Korngold zur Verfügung stellte. Es ist anzunehmen, dass dessen Sohn, der spätere Komponist Erich Wolfgang Korngold, auf diesem Instrument spielte. Mahler soll den jungen Korngold schon im Kindesalter als „Genie“ bezeichnet haben, und auch als Kind erhielt das Wunderkind Unterricht bei Zemlinsky.

Bereits 1910, im Alter von 11 Jahren, begann Erich Wolfgang Korngold die Arbeit an seiner Ballettpantomime Der Schneemann, die zwei Jahre später an der Wiener Hofoper uraufgeführt wurde – ein außergewöhnlich reifes Werk, das von Zemlinsky orchestriert wurde. In den Jahren 1937 bis 1941 entstanden Korngolds Shakespeare-Lieder, teils noch in Wien, später im kalifornischen Exil, wo er als erfolgreicher Filmkomponist tätig war. Trotz seines Ruhms in Hollywood wurde er als klassischer Komponist zu Lebzeiten weitgehend ignoriert.

Josefine Winter und Alfred Grünfeld

Zwei weitere Namen, die heute beinahe vergessen sind, gehören ebenfalls zu dieser bemerkenswerten Wiener Blütezeit: Alfred Grünfeld und Josefine Winter.

Josefine Winter wurde 1873 in Wien geboren und wuchs unter schwierigen Bedingungen auf. Ihre Mutter litt an Depressionen und wurde in eine psychiatrische Klinik in der Schweiz eingewiesen. Obwohl Josefine Klavierunterricht erhielt, blieb ihr großes musikalisches Talent lange unentdeckt, da ihr als Mädchen eine akademische Musikausbildung verweigert wurde. 1900 lernte sie durch den Hausarzt der Familie Josef Breuer, der ein wesentlicher Impulsgeber für Sigmund Freuds Entwicklung der Psychoanalyse war, ihren späteren zweiten Ehemann, den Arzt und Lyriker Josef Winter, kennen, der sie in ihrer musikalischen Entwicklung förderte. Das Paar war eng mit dem Wiener Musikleben verbunden und traf sich mehrfach mit Gustav Mahler. 1910 erlebte Josefine Winter die Uraufführung von Mahlers 8. Symphonie in München.

Als Jüdin war Sie ab dem „Anschluss“ Österreichs großen Repressionen unterworfen: zunächst wurde sie 1938 in eine Sammelwohnung gebracht und am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 20. Januar 1943 starb.

Alfred Grünfeld, 1852 in Prag geboren, wuchs in einem musikalischen Haushalt auf, obwohl sein Vater Lederhändler war. Bereits mit vier Jahren erhielt er Musikunterricht und veröffentlichte mit zwölf Jahren sein erstes Klavierstück im Selbstverlag. In Prag erhielt er Klavierunterricht beim großen Komponisten Bedřich Smetana. 1873 zog er nach einem Studium in Berlin nach Wien und feierte hier große Erfolge als Konzertpianist. Tourneen führten ihn durch Europa und sogar nach Nordamerika. 1913 trat er im österreichischen Stummfilm Johann Strauss, an der schönen blauen Donau auf, mit dem Walzerkönig verband ihn auch eine Freundschaft und durch seine Konzertparaphrasen über Strauss'sche Walzer erlangte er große Bekanntheit.

Alfred Grünfeld und Gustav Mahler

Ein bemerkenswerter Vorfall aus Mahlers Jugendjahre soll sich in der Familie Grünfeld zugetragen haben. 1871, als Gustav Mahler von seinem Vater nach Prag geschickt wurde, um dort zur Schule zu gehen, wohnte er bei den Grünfelds. Alma Mahler berichtete später von dem Vorfall, der sich in einem dunklen Raum abspielte: Mahler wurde unfreiwillig Zeuge einer brutalen Liebesszene zwischen der Dienstbotin und dem Sohn des Hauses. Er sprang auf, um dem Mädchen zu Hilfe zu kommen, aber sie dankte ihm nicht für seine Mühen. Er wurde von beiden heftig beschimpft und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Episode hinterließ einen tiefen Eindruck. Wie man sich den ganzen Tag über Leute ärgern kann, die einen im Traum geärgert haben, so hat Gustav dem jungen Pianisten, der ihm diesen Schock versetzt hatte, nie verziehen. Im Jahr 1907, unter dem Druck der antisemitischen Wiener Presse, wurde Gustav Mahler aus seiner Position als Direktor der Wiener Hofoper gedrängt. Ein schwerer Schlag für Mahler, der zudem wenig später den Tod seiner vierjährigen Tochter Maria Anna verkraften musste. Wenige Monate später wurde bei ihm ein schweres Herzleiden diagnostiziert.

Im Sommer 1910, einer Zeit geprägt von einer Krise in seiner Ehe mit Alma und seiner angeschlagenen Gesundheit, komponierte Mahler das Adagio seiner 10. Symphonie. Wenige Monate später, im Mai 1911, starb er. Mit Mahlers Tod ging auch das Ende einer Ära jüdischen Lebens in Wien einher.

 

 

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