Juden im christlichen Spanien des Spätmittelalters

Juden im christlichen Spanien des Spätmittelalters

Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung im mittelalterlichen Spanien ist geprägt von unterschiedlichen Phasen kultureller Blüte, sozialer Integration und zunehmender Ausgrenzung. Die Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert war für die Juden im christlich geprägten Spanien von tiefgreifenden Umbrüchen bestimmt. Diese Epoche markiert den Übergang von einer vergleichsweise toleranten Koexistenz zu wachsender Diskriminierung, Zwangskonversionen und schließlich zur Vertreibung.

Ein Leben zwischen Schutz und Abhängigkeit

Nach der fortschreitenden Rückeroberung ehemals muslimischer Gebiete durch Christen wurden Jüdinnen und Juden Teil der christlich regierten Königreiche, insbesondere Kastilien, Aragón und Navarra. Die Monarchen betrachteten die jüdischen Gemeinden häufig als „Schutzbefohlene“ der Krone. Dieser Status gewährte ihnen zwar Schutz, bedeutete jedoch auch politische Abhängigkeit.

Juden durften unter bestimmten Bedingungen ihre Religion ausüben, eigene Gemeindestrukturen (die sogenannten aljamas) führen und interne Streitfälle selbst regeln. Sie unterlagen allerdings Sondersteuern und mussten sich durch regelmäßige Abgaben Schutz „kaufen“. Diese ökonomische Sonderstellung wurde ihnen oft negativ ausgelegt.

Einfluss in Wirtschaft, Verwaltung und Geistesleben

Trotz ihrer rechtlichen Sonderstellung spielten Juden im christlichen Spanien eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben. Viele arbeiteten als Steuereinnehmer, Finanzverwalter oder Berater an den königlichen Höfen – Positionen, die ihnen Einfluss, aber auch Feindschaft einbrachten. Besonders in Kastilien und Aragón waren jüdische Beamte an zentralen Verwaltungsaufgaben beteiligt, etwa bei der Steuererhebung oder im Münzwesen.

Auch in Handel und Kreditwesen waren jüdische Familien aktiv. Da Christen Zinsgeschäfte meist untersagt waren, kam jüdischen Geldverleihern eine wichtige wirtschaftliche Funktion zu. Diese Rolle machte sie jedoch anfällig für antijüdische Klischees und sozialen Neid.

Parallel dazu erlebte das geistige Leben jüdischer Gemeinden eine Blütezeit. Jüdische Gelehrte wirkten als Ärzte, Philosophen und Übersetzer, etwa im Rahmen der berühmten Schule von Toledo, in der Texte aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen wurden.

Pogrome und Zwangskonversionen

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts verschlechterte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung spürbar. Wirtschaftliche Krisen, Seuchen und soziale Unruhen führten zu einer Radikalisierung gesellschaftlicher Spannungen. Juden wurden zunehmend zum Sündenbock gemacht.

Antijüdische Predigten, insbesondere von fanatischen Mönchen wie dem Franziskaner Vincent Ferrer, fanden breites Gehör. Die Pogrome von 1391, bei denen Tausende Juden ermordet und viele Gemeinden zerstört wurden, markierten einen dramatischen Einschnitt. Viele Juden sahen sich gezwungen, zum Christentum überzutreten, um ihr Leben zu retten. Diese „Neuchristen“ wurden später als Conversos oder Marranen bezeichnet.

Die Zwangskonversionen führten jedoch nicht zu einer echten Integration. Im Gegenteil: Misstrauen gegenüber den Conversos wuchs, insbesondere weil viele ihr Judentum heimlich weiterlebten. Aus diesem Spannungsfeld entwickelte sich die Idee der sogenannten „Reinheit des Blutes“ (limpieza de sangre), die nicht nur religiöse, sondern auch rassisch verstandene Kriterien anlegte.

Der Weg zur Vertreibung

Im Jahr 1478 wurde mit Zustimmung des Papstes die Spanische Inquisition eingerichtet, die sich vor allem gegen vermeintlich unaufrichtige Conversos richtete. Unter der Herrschaft der „Katholischen Könige“, Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón, wurde die Politik gegenüber Juden nochmals verschärft.

Schließlich wurde am 31. März 1492 das Alhambra-Edikt erlassen, das die Vertreibung aller nicht getauften Juden aus Spanien anordnete. Zwischen 40.000 und 100.000 Menschen verließen das Land; viele flohen ins Osmanische Reich, nach Nordafrika oder in andere Teile Europas. Wer blieb, musste zum Christentum konvertieren.

Die Vertreibung von 1492 markiert nicht nur ein tragisches Kapitel der spanischen Geschichte, sondern auch einen tiefen Einschnitt in das jüdische Leben auf der Iberischen Halbinsel, dessen Spuren jedoch bis heute spürbar sind.

 

Im Herbst 2025 beschäftigt sich das JCOM im Projekt DIE SCHLÜSSEL VON TOLEDO mit der Musik und Kultur der sephardischen Juden. Dieses Projekt wird in der Bildungsagenda NS - Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.

Aktuelle Konzerttermine unter www.jcom.de/konzerte.

 

Zurück zum Blog