Paul Ben-Haim und Bracha Zefira

Paul Ben-Haim und Bracha Zefira

Die Zusammenarbeit zwischen dem Komponisten Paul Ben-Haim und der Sängerin Bracha Zefira zählt zu den bedeutendsten musikalischen Partnerschaften im vorstaatlichen und jungen Staat Israel. Gemeinsam legten sie den Grundstein für einen neuen israelischen Musikstil, der westliche Kunstmusik mit den vielfältigen Traditionen des Nahen Ostens verband.

Zwei Wege kreuzen sich

Paul Ben-Haim, 1897 in München als Paul Frankenburger geboren, war ein klassisch ausgebildeter Komponist und Dirigent. Nach seiner Emigration 1933 nach Palästina suchte er nach einer neuen musikalischen Sprache, die seine europäische Ausbildung mit den Klängen seiner neuen Heimat verband.

Bracha Zefira wurde 1910 in Jerusalem als Tochter jemenitischer Juden geboren. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wuchs sie in verschiedenen Pflegefamilien auf, darunter auch in sephardisch geprägten Haushalten. Diese multikulturelle Erziehung ermöglichte es ihr, tief in die musikalischen Traditionen der Mizrahi- und Sephardim-Gemeinschaften einzutauchen. Besonders prägend war ihre Zeit im Jerusalemer Stadtteil Yemin Moshe, wo sie bei einer sephardischen Witwe lebte. Dort hörte sie von den Frauen der Nachbarschaft erstmals jüdisch-spanische Romanzen (Ladino-Lieder). Später lernte sie traditionelle sephardische Lieder von Alberto Hemsi und Yitzhak Navon.

 

In den 1940er Jahren wandte sich Zefira an Komponisten wie Paul Ben-Haim, um ihre Lieder neu arrangieren zu lassen. Ben-Haim war fasziniert von den sephardischen und jemenitischen Melodien, die Zefira ihm vermittelte, und begann, diese in seine Kompositionen zu integrieren.

Eine kreative Symbiose

Zwischen 1939 und 1957 schuf Ben-Haim über 30 Werke, die auf Melodien basierten, die er von Zefira lernte. Dazu zählen bedeutende Kompositionen wie „Hitragut“ (1939), seine 1. Sinfonie (1940) und das Quintett (1941). Zefira trat häufig mit Ben-Haim am Klavier auf. Ihre Konzerte mit dem Palestine Symphony Orchestra (später Israel Philharmonic Orchestra) galten als Meilensteine der israelischen Musikgeschichte.

Zefira war nicht nur Interpretin, sondern auch eine leidenschaftliche Sammlerin traditioneller Lieder. Sie besuchte regelmäßig die Viertel ihrer Kindheit, um von älteren Frauen Lieder zu lernen und an lokalen Festen teilzunehmen. Obwohl sie Noten lesen konnte, war sie nicht in der Lage, sie zu schreiben, weshalb sie Komponisten bat, sie bei der Sammlung der Lieder zu begleiten. Ben-Haim und andere zogen es jedoch vor, dass Zefira ihnen die Lieder vorsang, um sie anschließend zu arrangieren.

Spannungen und kulturelle Kontraste

Trotz des kreativen Erfolgs war die Zusammenarbeit nicht frei von Spannungen. Zefira kritisierte später die orientalistische Haltung einiger Komponisten, die ihre Musik als exotisch betrachteten, anstatt sie als gleichwertige Kunstform anzuerkennen. In ihren Memoiren „Kolot Rabim“ (1978) äußerte sie sich kritisch über die Herangehensweise von Ben-Haim und anderen, die ihre Melodien in westliche Kunstmusik überführten, ohne die kulturelle Tiefe vollständig zu erfassen.

Ein bleibendes Erbe

Trotz dieser Differenzen bleibt die Zusammenarbeit zwischen Paul Ben-Haim und Bracha Zefira ein herausragendes Beispiel für die Verschmelzung unterschiedlicher musikalischer Traditionen. Ihre gemeinsame Arbeit trug wesentlich zur Entwicklung eines einzigartigen israelischen Musikstils bei, der bis heute Einfluss auf Komponisten und Musiker hat.

Zefiras Engagement für die Bewahrung und Weitergabe traditioneller Lieder sowie Ben-Haims Fähigkeit, diese in die Kunstmusik zu integrieren, schufen ein musikalisches Erbe, das die Vielfalt und Tiefe der israelischen Kultur widerspiegelt. Viele Ladino-Lieder erlebten so ein Renaissance und blieben bis heute erhalten.

 

Im Herbst 2025 beschäftigt sich das JCOM im Projekt DIE SCHLÜSSEL VON TOLEDO mit der Musik und Kultur der sephardischen Juden. Dieses Projekt wird in der Bildungsagenda NS - Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.

Aktuelle Konzerttermine unter www.jcom.de/konzerte.

Zurück zum Blog