Ein Klaviervirtuose der Wiener Spätromantik
Alfred Grünfeld (1852–1924) war ein jüdisch-österreichischer Pianist, Komponist und Musikpädagoge. Auch wenn er heute im Vergleich zu seinen Wiener Zeitgenossen wie Johann Strauss oder Gustav Mahler eher unbekannt ist, zählte er im späten 19. Jahrhundert zu den bekanntesten Klaviervirtuosen seiner Zeit. In Wien war er sowohl in der klassischen Konzertszene als auch im bürgerlichen Salonwesen eine zentrale Figur des musikalischen Lebens. Grünfeld wurde vor allem durch seine Klavierbearbeitungen populärer Melodien bekannt, aber schrieb auch eigene Werke. Diese sind heute wenig verbreitet.

Herkunft und Ausbildung
Geboren wurde Alfred Grünfeld am 4. Juli 1852 in Prag in eine jüdische Familie. Schon früh zeigte sich seine musikalische Begabung und er begann sein Studium am Prager Konservatorium. 1871 lernte er den jungen Gustav Mahler kennen: als Mahler von seinem Vater nach Prag geschickt wurde, um dort zur Schule zu gehen, wohnte er bei den Grünfelds. Die beiden jungen Künstler begegneten sich in den folgenden Jahren, besonders später in Wien, regelmäßig.
Alfred Grünfeld setzte seine Studien an der Neuen Akademie der Tonkunst in Berlin fort und studierte Klavier unter Theodor Kullak und Komposition bei Richard Würst.
Karriere in Wien
Nach dem Studium ließ sich Grünfeld dauerhaft in Wien nieder, das in dieser Zeit als kulturelles Zentrum Europas galt. Dort war er nicht nur als Konzertpianist erfolgreich, sondern auch als gefragter Interpret in aristokratischen Salons. Sein Repertoire umfasste insbesondere Werke von Chopin, Liszt und Johann Strauss Sohn, dessen Walzer er oft in eigenen Bearbeitungen spielte.
Grünfeld wurde 1881 zum k.k. Hofpianisten ernannt und erhielt zahlreiche weitere Titel und Auszeichnungen. Er galt als einer der beliebtesten Pianisten der Donaumonarchie.

Kompositorisches Werk und Freundschaft mit Johann Strauss Sohn
Grünfelds kompositorisches Schaffen konzentrierte sich überwiegend auf die Klaviermusik. Er schrieb Salonstücke wie Walzer, Mazurken und Charakterstücke, von denen einige zu seiner Zeit sehr populär waren. Besonders beliebt war seine „Soirée de Vienne“, eine Konzertparaphrase über Themen von Johann Strauss.
Grünfeld pflegte eine persönliche Freundschaft mit Johann Strauss Sohn, die sich auch in seinen Bearbeitungen von dessen Werken widerspiegelt. Diese Paraphrasen trugen erheblich zu seiner Popularität bei und verbanden Virtuosität mit dem damals sehr gefragten Repertoire der Wiener Tanzmusik.
Frühe Tonaufnahmen
Alfred Grünfeld war einer der ersten Pianisten, die ihre Musik auf Tonträger festhalten ließen. Bereits ab 1889 entstanden erste Aufnahmen auf Wachsrollen und Schellackplatten. Diese Aufnahmen sind heute historische Dokumente der Interpretationspraxis des späten 19. Jahrhunderts.
Lebensende und Nachwirkung
Alfred Grünfeld starb am 4. Januar 1924 in Wien. Er wurde trotz seiner jüdischen Herkunft auf dem Zentralfriedhof beigesetzt. Trotz seiner damaligen Popularität geriet er im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend in Vergessenheit.
Heute gilt er als Vertreter einer Musiktradition, die zwischen Virtuosentum, Salonästhetik und Unterhaltungswert angesiedelt war. Seine Aufnahmen und einige seiner Bearbeitungen erleben in jüngerer Zeit wieder verstärkt Beachtung, insbesondere im Kontext historischer Aufführungspraxis.

Am 25.4.25 erscheint unsere neue CD JEWISH VIENNA, auf der wir gemeinsam mit der Sopranistin Chen Reiss Werke jüdischer Komponisten aus dem Wien der Jahrhundertwende udn des frühen 20. Jahrhunderts präsentieren. Darauf findet sich auch die „Kleine Serenade“ von Alfred Grünfeld in einer Bearbeitung für Kammerorchester von Nicolas Hersh.
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