Die Synagoge

Die Synagoge

Die Synagoge (von altgriechisch συναγωγή synagōgē = 'Versammlung') ist mehr als nur ein Ort des Gottesdienstes; sie ist der zentrale Ort und das Herz des jüdischen Gemeinschaftslebens. Seit Jahrhunderten dienen Synagogen als Zentren für Gebet, Lernen und geselliges Beisammensein und übernehmen unterschiedliche Aufgaben im Gemeindeleben. Synagogen sind stets in Richtung des Tempelberges in Jerusalem ausgerichtet.

Bezeichnung

Traditionell war die Synagoge ein Lehrhaus, das spiegeln auch die mittelalterlichen Bezeichnungen wieder. So hieß die Synagoge 'schola', später italienisch 'scuola', deutsch 'Schule'. Juden mittel- und osteuropäischer Herkunft verwenden vielfach das jiddische 'schul'. Im Reformjudentum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nannten die deutschsprachigen Juden ihren Versammlungsort 'Tempel', eine Bezeichnung, die in Nordamerika außerhalb der strengen jüdischen Orthodoxie sehr gebräuchlich ist. Chassidische Juden, die keinen Wert auf prunkvolle Synagogen legen, bezeichnen ihre kleinen Bethäuser als 'stibl' (Stube) oder 'Klaus' (Klause).

Historische Ursprünge

Die Ursprünge der Synagoge reichen bis in die Antike zurück, wobei ihre Entstehung oft auf das babylonische Exil im 6. Jahrhundert vor Christus zurückgeführt wird. In dieser Zeit brauchte das jüdische Volk, das aus Jerusalem und seinem heiligen Tempel vertrieben worden war, eine neue Möglichkeit, sich zu versammeln und seine religiösen Praktiken zu pflegen. Die Synagoge entwickelte sich zu einem lokalen Zentrum für Gebet und Torastudium und wurde schließlich zu einem festen Bestandteil des jüdischen Lebens.

Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr. wurde die Rolle der Synagoge noch wichtiger. Sie wurde von einem zusätzlichen Ort des Gottesdienstes zur zentralen Einrichtung für das jüdische Gemeinschafts- und Religionsleben. Seitdem sind überall auf der Welt, wo jüdische Gemeinden ansässig sind, Synagogen errichtet worden.

Die Architektur der Synagoge

Eine typische Synagoge ist so konzipiert, dass sie sowohl den gemeinschaftlichen Gottesdienst als auch das individuelle Gebet ermöglicht. Während die architektonischen Stile je nach geografischem Standort und kulturellen Einflüssen stark variieren können, finden sich einige zentrale Elemente in Synagogen weltweit wieder:

1. Der Toraschrein (Aron ha-Kodesh)

Der Toraschrein, oder Heilige Lade, ist der heiligste Teil der Synagoge und beherbergt die Tora-Rollen. Er befindet sich in der Regel an der Ostwand, mit Blick auf Jerusalem. Die Lade symbolisiert die Bundeslade und ist oft kunstvoll verziert.

2. Die Tora-Rollen

Die Tora-Rollen sind das Herzstück des Synagogen-Gottesdienstes. Sie sind auf Pergament geschrieben und werden sorgfältig aufbewahrt. Aus ihnen wird während der Gottesdienste gelesen und sie sind das Herzstück des jüdischen religiösen Lebens.

3. Die Bima

Die Bima ist eine erhöhte Plattform, von der aus die Tora gelesen wird. Sie dient als Mittelpunkt des Gottesdienstes und betont die Bedeutung des Torastudiums und der gemeinschaftlichen Teilnahme am Gottesdienst. In traditionellen aschkenasischen Synagogen befindet sich die Bima in der Mitte des Innenraums. In sephardischen Bauten stehen sich der Aron ha-Kodesch an der nach Jerusalem weisenden Ostwand und die Bima im Westen gegenüber.

4. Das Ewige Licht (Ner Tamid) und die Menora

Das Ewige Licht, das über der Bundeslade hängt, symbolisiert die ewige Gegenwart Gottes. Es erinnert an die Menora, die im alten Tempel in Jerusalem ununterbrochen brannte. Üblicherweise ist der Raum mit einer oder mehreren Menoras (siebenarmigen Leuchtern) geschmückt.

5. Trennung der Geschlechter und Mechiza

Die Vorschriften über eine Trennung der Geschlechter sind in Synagogen baulich sehr unterschiedlich gelöst oder bleiben – je nach religiöser Ausrichtung – unberücksichtigt.
Traditionelle Synagogen haben oft eine Mechiza (auch Mechitza, hebr. מחיצה = 'Trennung') oder eine Frauengalerie. Eine Mechiza ist eine Vorrichtung (Wand, Mauer, Absperrung, Vorhang etc.) zur räumlichen und visuellen Trennung der Geschlechter. 
Sie soll – so die religiöse Begründung – Ablenkung und verminderter Konzentration vorbeugen und wird u. a. aus dem babylonischen Talmud hergeleitet. In manchen Synagogen gibt es eine Frauenempore, die eine Mechiza überflüssig macht.

Die Rolle der Synagoge im Gemeindeleben

Synagogen erfüllen verschiedene Funktionen, die über die eines reinen Gotteshauses hinausgehen. Sie sind Zentren für Bildung, Gemeindeversammlungen und soziales Handeln.

1. Gottesdienst und Gebet

Die Hauptfunktion der Synagoge besteht darin, einen Raum für das gemeinsame Gebet zu bieten. Regelmäßige Gottesdienste finden die ganze Woche über statt, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Schabbat und den jüdischen Feiertagen. Die Synagoge fördert das Gemeinschaftsgefühl, wenn sich die Mitglieder zum Beten, Singen und Nachdenken treffen.

2. Bildung und Lernen

Bildung ist ein Eckpfeiler des jüdischen Lebens, und Synagogen beherbergen häufig religiöse Schulen (Cheder oder hebräische Schulen), in denen Kinder und Erwachsene etwas über jüdische Geschichte, Gesetze und Traditionen lernen. Viele Synagogen bieten auch Erwachsenenbildungsprogramme, Vorträge und Studiengruppen an.

3. Gemeinschaft und soziales Beisammensein

Synagogen dienen als soziale Treffpunkte, in denen Gemeindemitglieder Lebensereignisse wie Bar- und Bat-Mizwa oder Hochzeiten feiern. Sie bieten auch Unterstützung in Zeiten der Not und bieten einen Raum für Trauer und Trost.

4. Soziales Engagement und Wohltätigkeit

Viele Synagogen engagieren sich für soziale Gerechtigkeit und Wohltätigkeit und verkörpern den jüdischen Wert 'tikkun olam' ('die Welt verbessern' - siehe unseren Blogbeitrag hier). Sie organisieren Lebensmittelsammlungen, unterstützen die Umsiedlung von Flüchtlingen und beteiligen sich an verschiedenen Hilfsprogrammen, um Bedürftigen zu helfen.

Die Synagoge ist eine lebenswichtige Institution im jüdischen Leben und spiegelt die dynamische und vielschichtige Natur des Judentums selbst wider. Sie ist ein Ort des Gottesdienstes, des Lernens und der Gemeinschaft - ein Heiligtum, in dem jüdische Traditionen bewahrt und über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Auch für Besucher, die mehr über das Judentum erfahren möchten, bieten Synagogen einen einzigartigen Einblick in das Herz des jüdischen Lebens.

Es gibt regelmäßig Führungen durch die Münchner Ohel Jakob Synagoge - weitere Informationen hierzu und Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier:
https://www.ikg-m.de/juedisches-zentrum/synagogenfuhrungen/

 

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