Was ist ein (jüdisches) Kantorenkonzert?

Was ist ein (jüdisches) Kantorenkonzert?

In der Welt der jüdischen Musik gibt es eine besondere Form des des Konzerts: die Kantorenkonzerte. Diese Veranstaltungen bieten im Rahmen eines (weltlichen) Konzertabends einen Einblick in die reiche liturgische Tradition des Judentums, gleichzeitig spiegelt das Programm unterschiedlichste Einflüsse und Strömungen innerhalb der jüdischen Musik wider.

Was ist ein Kantorenkonzert?

Ein Kantorenkonzert ist mehr als nur eine musikalische Darbietung, es ist ein ganz besonderes Erlebnis. Kantoren, die als liturgische Vorbeter in jüdischen Gemeinden fungieren, präsentieren bei diesen Konzerten eine Auswahl von Gesängen und Melodien, die oft tief in der jüdischen Tradition verwurzelt sind. Diese Stücke reichen von klassischen liturgischen Gesängen, wie dem Kol Nidrei, dem ikonischen Jom Kippur-Gebet, über jüdische Volksmusik bis hin zu moderneren Kompositionen, die die Vielfalt und den Wandel der jüdischen Musik widerspiegeln.

Musikalische Vielfalt

Die gespielten Stücke in einem Kantorenkonzert sind vielfältig: Traditionelle Melodien aus dem liturgischen Repertoire, das ursprünglich seinen Platz in der Synagoge hat, der aschkenasische und sephardische Gesang und Musical-Anklänge aus den 1920er Jahren finden ebenso ihren Platz wie zeitgenössische Kompositionen. Bekannte Stücke wie die Avinu Malkeinu oder die Mizmor Shir sind oft Teil des Repertoires und werden mit emotionaler Tiefe und technischer Finesse dargeboten.

Zudem können die Konzerte auch Werke beinhalten, die von klassischen jüdischen Komponisten in den letzten Jahrhunderten geschaffen wurden, wie z. B. Stücke von Ernest Bloch, Jacques Offenbach oder Darius Milhaud. Diese Werke verkörpern die Synthese von jüdischer Musik und westlicher klassischer Musik.

Die Geschichte der Kantorenkonzerte in Amerika

Die Tradition der Kantorenkonzerte hat in den USA eine ganz besondere Entwicklung durchlaufen: Im 19. und 20. Jahrhundert, als viele jüdische Einwanderer aus Europa in die Vereinigten Staaten kamen, brachten sie ihre musikalischen Traditionen mit sich. In den Synagogen entstanden neue Formen des Gesangs, die sowohl die alten Traditionen erneuerten als auch amerikanische Musikstile beeinflussten.

Ein Meilenstein des jüdischen Musikschaffens in den USA war die Gründung des ersten jüdischen Kantorenseminars im Jahr 1906 in New York, das es Kantoren ermöglichte, sich musikalisch und liturgisch weiterzubilden. Es handelte sich um das Jewish Theological Seminary of America, das neben der Ausbildung von Rabbinern auch die Schulung von Kantoren förderte. Dieses Seminar spielte eine entscheidende Rolle in der Professionalisierung des Kantorenberufs und der Entwicklung der liturgischen Musik innerhalb der jüdischen Gemeinden in den Vereinigten Staaten.

Die Gründung des Kantorenseminar führte dazu, dass es in den amerikanischen jüdischen Gemeinden verhältnismäßig viele Kantoren gab und diese nicht mehr ausschließlich vom Dienst in den Gemeinden leben konnten. Mit zusätzlichen Konzerten erschlossen sie sich eine neue Einnahmequelle.

Parallel entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue eher weltliche jiddisch-jüdische Musikrichtung an der amerikanischen Ostküste: das 'Yiddish Theatre' eroberte in den 1920er Jahren die Musiktheater-Bühnen und wenig später auch die Filmstudios. Jiddische Musicals waren nicht nur bei der jüdischen Bevölkerung beliebt: einzelne Songs und Werke wurden einem breiten Publikum bekannt und somit hielten jüdische Melodien Einzug in die Mainstream-Kultur. Diese Melodien finden sich bis heute auf den Programmen der Kantorenkonzerte.

Heute sind Kantorenkonzerte in vielen amerikanischen Städten ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens. Sie ziehen nicht nur Mitglieder der jüdischen Gemeinde an, sondern ganz unterschiedliche Musikliebhaber, die die emotionalen und spirituellen Aspekte der Darbietungen schätzen.

Kantorenkonzerte heute

Kantorenkonzerte sind ein eindrucksvolles Zeugnis der lebendigen jüdischen Musiktradition. Sie verbinden Spiritualität, kulturelle Identität und künstlerischen Ausdruck auf einzigartige Weise. In einer Welt, die sich ständig verändert, bieten sie einen Raum für Reflexion und Gemeinschaft und tragen dazu bei, die reiche Geschichte und Vielfalt des Judentums lebendig zu halten. Egal, ob man selbst jüdisch ist oder einfach nur die Musik schätzt – ein Kantorenkonzert ist immer ein bewegendes Erlebnis.

 

Das Jüdische Neujahrskonzert 5785 des JCOM findet am 12. November 2024 im Münchner Prinzregententheater statt. Weitere Informationen und Karten hier.

Im Jahr 2020 haben wir ein Neujahrskonzertprogramm aufgezeichnet. Unsere Playliste des Neujahrskonzerts finden Sie hier. 

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